Brigadegeneral a.D. Wolfgang Kopp

Landesvorsitzender der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik in Baden-Württemberg

 

Einleitung 15. Sicherheitspolitischer Kongress Karlsruhe

Es gilt das gesprochene Wort

Heimatschutz – Wehrpflicht – Reservisten

Wohin geht die Entwicklung?

Auch im Namen der GfW begrüße ich Sie sehr herzlich, meine Damen und Herren und danke für Ihr Kommen.

Mein Dank gilt in diesem Zusammenhang besonders auch der Landesregierung, die heute hier vertreten ist, und ich freue mich über das Grußwort und über die erneute Übernahme der Schirmherrschaft durch unseren Ministerpräsidenten.

Ich freue mich ferner darüber, dass es uns wieder einmal gelungen ist, hervorragende Referenten für unseren Kongress zu gewinnen. Dafür schon an dieser Stelle herzlichen Dank.

Sie, sehr geehrte Herren, werten den Kongress auf und wir als Veranstalter hoffen, dass wir, Dank Ihrer Hilfe, über die Zeitachse noch mehr Interesse im öffentlichen Umfeld finden werden.

Das Thema scheint auf den ersten Blick und angesichts der erst kürzlich aufgeflammten Diskussion um die Verlängerung des Mandats in Afghanistan etwas sonderbar. Wie kommt man auf dieses Thema?

Ein Blick ins Weißbuch ist dabei vielleicht hilfreich, denn dort steht die politische Absicht.

Heimatschutz wird im Weißbuch umschrieben als Schutz Deutschlands und seiner Bevölkerung. Dieser Schutz der Bürger wird fünf Mal erwähnt, 3x kommt Landesverteidigung vor, ebenso wie Kampfeinsatz, 10x finden wir Wiederaufbau und 19x den Begriff humanitär.

Das widerspiegelt den veränderten Schwerpunkt der Ausrichtung der Streitkräfte, aber spiegelt es auch die realen Herausforderungen?

Auf Seite 12 im Weißbuch finden wir die Aufgaben der Bundeswehr. Dort steht der „Schutz Deutschlands und seiner Bürgerinnen und Bürger“ an 3. Stelle nach

• „der internationalen Konfliktverhütung und Krisenbewältigung einschließlich des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus“ und

• „ der Unterstützung von Bündnispartnern“.

Erst an 6. Stelle stehen subsidiäre Hilfeleistungen.

 

Daraus lässt sich ableiten, dass der Schutz Deutschlands und seiner Bürger offenbar qualitativ eine von subsidiären Hilfeleistungen im Sinne Art. 35 GG zu unterscheidende Aufgabe ist.

Auf S.66 wird das Weißbuch etwas deutlicher.

Landesverteidigung bleibt zwar unverändert eine zentrale Aufgabe der Bundeswehr aber gegen „auf absehbare Zeit aber unwahrscheinliche Bedrohungen“.

Das Weißbuch kündigt ferner an:

Das Konzept der zivilen Verteidigung wird vor diesem Hintergrund fortentwickelt und das Konzept der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit weiter ausgebaut“ weil die Verflechtungen zwischen innerer und äußerer Sicherheit immer mehr zunehmen. Daraus folgt: Es gibt offenbar ein – mir nicht bekanntes - Konzept der Zivilen Verteidigung, sonst könnte man es nicht fortentwickeln.

Wie der Stand des Ausbaus der ZMZ ist, werden wir in den Vorträgen sicher erfahren.

Das Weißbuch führt weiter aus, dass zwar „die Abwehr terroristischer und anderer asymmetrischer Bedrohungen innerhalb Deutschlands vorrangig eine Aufgabe der für die innere Sicherheit zuständigen Behörden von Bund und Ländern (ist)

aber die Bundeswehr zum Einsatz kommen kann, wenn

•„nur mit ihrer Hilfe eine ... Lage bewältigt werden kann,

nur sie über die erforderlichen Fähigkeiten verfügt

die zuständigen Behörden erst zusammen mit Kräften der Bundeswehr den Schutz der Bevölkerung und gefährdeter Infrastruktur sicherstellen können“.

Der Schutz gefährdeter Infrastruktur ist aber nichts anderes als der alte Objektschutz, sollte man meinen. Wie dies realisiert werden könnte, werden wir mit Spannung hören, denn da gerät der Art. 35 GG relativ schnell an Grenzen.

Die Lage ist vernetzt, äußere und innere Sicherheit sind nicht mehr trennbar. Die asymmetrische Bedrohung ist da, in den Auslandseinsätzen und im Inland.

Diese Art der Bedrohung erfordert Strukturen und vor allem Verfahren, mit denen auf entsprechende Lagen reagiert werden kann. Der Kongress soll uns in die Lage versetzen, Zusammenhänge besser zu verstehen, um in Diskussionen noch besser bestehen zu können.

Im Heimatschutz, also in der Militärischen Landesvereidigung liegt, wie wir wissen, das eigentlich klassische Aufgabenfeld, das Wehrpflicht begründet und für das Reservisten gebraucht werden.

Natürlich sind Reservisten auch für Auslandseinsätze wichtig, wo sie um die 10 Prozent der Personalumfänge bei ISAF (7,4) und KFOR (9) stellen. Aber im heimatnahen Einsatz und im Schulterschluss mit einem Ihnen durch Ehrenämter, Zugehörigkeit zu Serviceclubs, Partei- und Vereinszugehörigkeit usw. vertrauten Umfeld, sind sie ein unverzichtbares Bindeglied zwischen Bundeswehr und Gesellschaft.

Aber auch ein Teil ihres Nachwuchses rekrutiert sich aus dem Grundwehrdienst. Wehrpflicht und Grundwehrdienst begründen sich aber nicht in erster Linie durch die Tatsache der Nachwuchsgewinnung, so wichtig dieser Nebeneffekt auch sein mag, sondern klassisch aus der Verteidigung des eigenen Landes.

Daher war es von Interesse, die Frage zu stellen, wie sich dieser Zusammenhang heute darstellt, am Vorabend eines Wahljahres, in dem der großen Volkspartei in der 1. Hälfte des Alphabets die Koalitionspartner ausgehen, wenn es um den Erhalt der Wehrpflicht in der gegenwärtigen Form geht, Ich erinnere Sie an die Diskussion im Frühjahr dieses Jahres, besonders auch in der Folge von Heiligendamm, über die Verschärfung der Bedrohung und den damit erforderlichen Einsatz der Streitkräfte im Inland. Dabei wurde der Zusammenhang mit den Auslandseinsätzen hergestellt.

Die populistische Ecke befand damals: Nur weil wir in Auslandseinsätze gehen, gibt es diese Bedrohung. Folglich: Wenn wir uns raushalten, ist auch die Bedrohung weg.

Vogel Strauß lässt schön grüßen.

Denn in der Tat hält sich im Zeitalter der Globalisierung auch die Bedrohung an keine Grenzen mehr.

Das gilt gerade und ganz besonders für das Bedrohungsbild der asymmetrischen Bedrohung, das so neu gar nicht ist, sondern von Militärtheoretikern schon lange intellektuell aufgearbeitet wurde.

Ich erinnere mich an den Auftrag meines damaligen Bataillonskommandeurs, der heute auch unter uns ist, im Januar 1975, in Vorbereitung auf den Grundlehrgang, eine Offizierweiterbildung zu halten und dabei das Buch von Beaufre „Revolutionierung des Kriegsbildes“ zugrunde zu legen.

Zugegeben, im damaligen Zeitalter der Vorneverteidigung waren das aus der Sicht eines Kompaniechefs der Panzertruppe, der ich damals war, eher intellektuelle Gedankenspiele. Heute sieht das anders aus.

Oder denken Sie an Mao und seine Fische im Wasser. Ausrufezeichen, die man damals zur Kenntnis genommen hat, in der Annahme, dass sie auf Europa niemals zuträfen.

Auch das Thema Heimatschutz war im Rahmen der Gesamtverteidigung schon vor Jahrzehnten aktuell, wenn auch nicht unbedingt für uns Panzermänner. Aber als junger Generalstabsoffizier in der Erstverwendung als G3op im TerrKdoSüd – ich war bei der Eröffnung dieser Verwendung durch P nicht gerade euphorisch – war man dann mit der Anlage der Übung WINTEX/CIMEX befasst.

Der Einsatz der Bundeswehr auf eigenem Territorium, heute eine gerade erst beginnende und immer wieder abgebrochene, bzw. auf Eis gelegte Diskussion, war damals nach Verkündigung des Verteidigungsfalls kein Thema, allerdings da und dort mit manchen Problemen behaftet. So z.B. im Raumschutz. Manche unter uns erinnern sich noch an die Kreation gemischter gemeinsamer Streifen zwischen Bundeswehr und Polizei um sowohl durch Soldaten gegen Kombattanten, als auch durch Polizisten gegen Nichtkombattanten, wie z.B. zivile Störer vorgehen zu können.

Es gab auf ziviler und militärischer Seite Objektschutzlisten für Objekte ziviler und/oder militärischer Betreuung, auf militärischer Seite sogar vorbereitete Operationspläne für zu schützende Objekte. Von den zahlreichen nicht-aktiven Verbänden und Einheiten, die diese Aufträge zu erfüllen hatten, ganz zu schweigen.

Auf ziviler Seite gab es umfangreiche, wenn auch nicht für alle ausreichende Vorkehrungen für den Katastrophenschutz bis hin zu Notkrankenhäusern.

Als junger GenstOffz hat man schon gestaunt, was es da so alles gab und welches schwierige Feld vernetzter Operationen damals schon nötig war, um Krisenlagen zu begegnen.

Viele dieser Erfahrungen liegen heute im Verborgenen.

Später ist mir dieses Aufgabenfeld dann als Referatsleiter wieder begegnet. Allerdings unter anderen Vorzeichen zu Beginn der 90er Jahre. Damals war ich im BMVg beauftragt mit der Erarbeitung der Konzeption der Terr. Wehrstruktur für die Streitkräfte.

Aber Anfang der 90er war Zahltag. Die Friedensdividende wurde ausbezahlt.

Man begann Strukturen abzubauen und befand Übungen, wie WINTEX/CIMEX als nicht mehr notwendig. Neben den Strukturen, und das gilt sicher auch für den zivilen Bereich, ging auch das know-how für Verfahren verloren.

Heute haben wir gelegentliche Anzeichen der Wiederbelebung. Wir sehen eine Diskussion über die Ergänzung des Art. 35 GG, aber sie scheint politisch sehr problematisch zu sein. Man verdrängt die Bedrohung in der Annahme, die klassische Trennung von Inlands- und Auslandsaufgaben reiche auch weiterhin aus, um alle eventuellen Lage zu beherrschen - oder hält man sie etwa nur unter dem Deckel, weil man der Bevölkerung diese Debatte nicht zumuten will und damit eine Lawine von Nachfragen auslösen würde, wie es um die Sicherheitsvorsorge eigentlich steht?

Genau diese Bevölkerung wird allerdings nach dem Eintritt eines gravierenden Ereignisses durchaus Fragen stellen und auch politische Konsequenzen ziehen, wie es sich in einer Landtagswahl deutlich gezeigt hat, als das Thema Innere Sicherheit aufgemacht und der unbefriedigende Inhalt sichtbar wurde.

Ich komme noch einmal zurück zur Sicherung von Objekten, lebenswichtigen Objekten für die Bevölkerung, und nehme das Beispiel der Wasserentnahmestelle am Bodensee.

Dort wurde vor einiger Zeit – wir erinnern uns - ein unidentifizierter Eimer gesichtet, der große Aufregung hervorrief und zu Sicherungsmaßnahmen am Objekt führte.

In der positiven Annahme, dass es auch heute noch Übersichten über wichtige Objekte gibt, frage ich mich als Mensch und Staatsbürger schon, wie die Kapazitäten des zivilen Bereichs ausgelegt sind, um, bei steigender Bedrohung, über einen langen Zeitraum und an mehreren Objekten durchhaltefähig zu sein.

Wenn nicht – und ich blicke da doch mit etwas Sorge auf die Personalumfänge unserer Landespolizei - so frage ich mich als ehemaliger Soldat, ob dann Art 35 GG in der gegenwärtigen Fassung tatsächlich noch ausreicht für den Fall, dass sich der Blick dann auf die Bundeswehr richtet.

Auf fehlende Kapazitäten der zivilen Seite in der Luft und auf See will ich gar nicht erst eingehen. Die unerfreuliche Debatte haben wir um das Kleinflugzeug in Frankfurt gesehen und den Richterspruch dazu kennen wir. Aber wenigstens in diesen Punkten gibt es Bewegung. Wobei sich mir persönlich die künstliche Trennung zwischen äußerer und innerer Sicherheit, oder gar eine Trennung zwischen Aufgaben auf See, in der Luft und zu Lande nicht erschließt. Eine derartige Trennung hat wenig Nähe zur realen Bedrohung.

Auch höre ich mit Interesse aus medizinischen Kreisen, dass im Falle, dass das Vogelgrippevirus in absehbarer Zeit mutiert und auf Menschen übertragbar wird, eine Grippewelle unerhörten Ausmaßes zu erwarten sei, welche die Dimensionen der Welle in den 30er Jahren bei weitem übersteigt und unser Gesundheitssystem so überfordert, dass der Einlass in Krankenhäusern in Schleusen selektioniert werden muss. Von Hunderttausenden von Toten in Deutschland ist bei Medizinern die Rede. Wie soll dann die innere Ordnung aufrechterhalten werden?

Diese wenigen Beispiele kennzeichnen die Dimension des Schutzes Deutschlands und seiner Bürger und zeigen deutlich, dass die Rolle der Streitkräfte neu überlegt werden muss und nicht auf Luft und See begrenzbar ist.

Aber mir als Ehemaligem geht es für den Fall des Falles nicht zuerst um Kapazitäten sondern vor allem um rechtliche Grundlagen und die Handlungssicherheit unserer eingesetzten Soldaten. Da weiß ich vor dem Hintergrund meiner Einsatzerfahrungen, wovon ich rede.

Die jüngste Vergangenheit hat das Problem der Eingreifbefugnisse im Einsatz gezeigt. Aber auch im Inland und gerade im Objektschutz haben wir die Frage schon vor mehr als 20 Jahren diskutiert. Und wir werden im Gegensatz zu damals den Spannungs- oder gar den Verteidigungsfall heute nicht erklären. Ich spüre da eine Lücke, die wir in der angesprochenen Diskussion vor wenigen Wochen um ein Papier der Fraktionen der CDU und der SPD zur Ergänzung des Art. 35 gesehen haben. Heute gehen die Fraktionen der Großen Koalition offenbar wieder getrennte Wege. Auch hier werden wir vielleicht Einblicke in den Stand der Dinge auf diesem Kongress bekommen.

Sie sehen meine Damen und Herren, das Thema hat es in sich und die Betrachtung lohnt sich. Wir werden Anregungen bekommen und natürlich müssen wir Verständnis dafür haben, dass es angesichts der noch laufenden Diskussionen, der Probleme in den politischen Debatten, und der Vertraulichkeit von Gesprächen und Überlegungen im Hintergrund, Hürden gibt, die besonders auch von den Vortragenden beachtet werden müssen.

Aber – meine Damen und Herren – wir müssen zu dieser Diskussion in unserem Umfeld sicherheitspolitisch beitragen. Dies soll der Kongress anstoßen. Es gilt, auch die Rückseite der Medaille der Einsätze, den anderen Teil der Sicherheitspolitik zu betrachten und Anregungen durch Fragen in unserem Umfeld zu geben. Dabei geht es nicht um Kritik oder Vorwürfe, es geht darum, Vorsorge zumindest im Denken zu treffen.

Denn ich nehme an, keiner von uns wollte, dass ein Mitglied seiner Familie oder er/sie selbst zu den ersten Opfern gehörte, die dann erst zur Bewusstseinbildung und zu erforderlichen Änderungen beitrügen.

Mit Spannung sehen wir dem ersten Vortrag entgegen und ich freue mich, das Mitglied des Deutschen Bundestages, Herrn Ernst-Reinhard Beck, ich darf sagen, Dich, lieber Ernst-Reinhard, um seinen Vortrag zu bitten.

 

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