Die Türkei als Akteur und Vermittler

im Nahen Osten und vis-a-vis der EU

Podiumsdiskussion im Haus der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)

Die Welt schaute in diesen Tagen nach New York zu den Vereinten Nationen (VN), um zu sehen, ob Palästina als 194. Vollmitglied in die Weltgemeinschaft aufgenommen wird. Während dessen diskutierten auf Einladung des Bonn International Center for Conversion (BICC), der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Women in International Security Deutschland (WIIS) im Haus der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) das Thema: Friedensgutachten 2011 „Aufbrüche in der arabischen Welt als Herausforderung an Türkei und EU“.

vlnr. Corinna Hauswedel, Ute Lange, Burak Copur. Quelle: BICC/Janina Heiliger/2011

 

Das Friedensgutachten (LIT-Verlag Münster, ISBN 978-3-643-11136-4) ist das gemeinsame Jahrbuch der fünf führenden Institute für Friedens- und Konfliktforschung in der Bundesrepublik. Dazu gehören das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), die Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), das Bonn International Center for Conversion (BICC), das Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) sowie die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST). 25 Friedensgutachten (FGA) sind bisher erschienen und zum dritten Mal wird in einer gemeinsamen Podiumsdiskussion eines der Themen behandelt, erläuterte Wolfgang Runge der Vorsitzende des Forums Nordrhein-Westfalen der DGAP. Auf dem Podium eine der Herausgeberin des Friedensgutachtens, Corinna Hauswedel, Herr Burak Copur, Politikwissenschaftler der Universität Duisburg-Essen und Autor zum Thema sowie Ute Lange, WIIS, als Moderatorin.

 

Überrascht und nicht vorbereitet

Die Umbrüche in der arabischen Welt haben die Herausgeber wie die Friedens- und Konfliktforscher überrascht. Bei der Planung des FGA waren eher europäische Themen vorgesehen. Einer der Gründe war augenscheinlich die Verwechslung der scheinbaren politischen Stabilität mit der wirtschaftlichen Wirklichkeit. In der Europäischen Union und auch im Auswärtigen Amt sieht die Herausgeberin zwar eine neue „Nachdenklichkeit“ aber seit dem Erscheinen des FGA keine diplomatischen Verbesserungen. Drei Argumente wurden gestreift. Zum einen die Genehmigung der Panzerlieferung an Saudi-Arabien, der Ausbau der FRONTEX-Organisation  (Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen) und die Palästinafrage.

„Hat die Türkei das Potential im Nahen Osten ein Modell zu werden“, fragte Burak Copur. Das Wirtschaftswachstum der Türkei ist beachtlich. Seit 1959 gibt es Beziehungen zur EU, Verhandlungen über einen Beitritt seit 2000. Es ist das einzige islamische Land, das auf der EU-Agenda steht. Der Türkei attestierte Copur große Fortschritte hin zur Demokratie. Die Probleme im eigenen Haus sind aber noch beachtlich. Eine Möglichkeit zur friedlichen Lösung der Kurdenproblematik besteht momentan nicht. Des Weiteren sind die Konflikte in der Zypern- und Armenienfrage nicht ausgestanden. „Die Türkei braucht die EU und umgekehrt“, so Copur. Die augenblicklich existierende „Privilegierte Partnerschaft empfindet er als nicht angebracht und angemessen. Die Türkei will in die EU, glaubt aber nicht mehr daran. Daher verlagert das Land seine politischen Schwerpunkte und Interessen. Manches Auftreten von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ist außenpolitisch provokant, bringt aber innenpolitisch Zustimmung.

Die Zukunft hat viele Fragezeichen

In der Diskussion stimmten die Teilnehmer nicht immer den Aussagen der Referenten zu. Die Erklärung der Türkei im Konflikt zwischen Israel und Palästina zu vermitteln, sind nach dem Angriff Israels auf die Gazahilfsflotte, bei dem es mehrere Tote gab, obsolet. Israel nimmt die Türkei nicht mehr als Verhandlungspartner wahr. Die Türkei hat sich verändert, ihre Bedeutung im arabischen Raum hat zugenommen, Israel ist der „Verlierer“, meint der Referent. Wenn in der Türkei der Versuch gelingt, Demokratie und Islam zusammenzubringen, wird die Rolle des NATO-Partners, der die Türkei seit 1952 ist, im arabischen Raum aber auch gegenüber Europa gestärkt  werden.

Tenor der Veranstaltung: Die EU hat die Entwicklung in den arabischen Ländern verschlafen. Nach Ansicht des Referenten fehlen ihr auch die Führungsfiguren, um ein politisches Gewicht in die Waagschale zu werfen. Der Blick und die Beschäftigung mit den eigenen Problemen hindern den Blick über den Tellerrand.

 

Peter E. Uhde, Köln, für die GfW e.V.

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