Neues Buch von MdB Hans-Peter Bartels
"Wir sind
die Guten"
Erfahrungen
und Anforderungen deutscher Verteidigungspolitik
Als
der Autor das Buch schrieb, konnte er noch sagen „ ...ein Diktator
in Libyen, der Teile der eigenen Bevölkerung bombardiert –
verstörende Nachrichten aus Kairo, Damaskus und Teheran...“
Inzwischen hat sich einiges getan. Den Diktator in Libyen gibt es
nicht mehr und in Syrien hat sich aus den verstörenden Nachrichten
ein Bürgerkrieg entwickelt, dessen Ausgang nicht abzusehen ist.
Krisen, Konflikte und Bürgerkriege weiten sich aus, der „Arabische
Frühling“ hat es in den letzten Monaten deutlich gemacht.
Hans-Peter Bartels (SPD), Mitglied des Deutschen Bundestages
versucht „nachzuzeichnen, zu erklären und zu bewerten, wie sich die
deutsche Verteidigungspolitik nach der Überwindung der Teilung
entwickelt hat und wohin aus Sicht eines Sozialdemokraten der Weg
weiter führen sollte“.
Fünf Kapitel: Einsatz, Bündnispartner, Bundeswehrreform, Rüstung und Parlamentsarmee sollen dem Leser die letzte Frage des Buches „Wohin führt der deutsche Weg“ beantworten.
Die Hoffnung auf eine friedliche Welt erfüllt sich nicht
Mit Ende des Kalten Krieges 1990 hoffte die ganze Welt auf eine friedliche Zukunft. Hieß es doch damals in einem Slogan der Bundeswehr „Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen“. Dabei dachte noch niemand an den Balkan, Irak oder Afghanistan. Heute sind deutsche Soldaten schon mehr als zehn Jahre in Afghanistan. Lange hat es gedauert, bis von Krieg gesprochen wurde. Die Bombardierung von zwei entführten Tanklastern durch amerikanische Flugzeuge auf Befehl des deutschen Oberst Klein in der Nacht zum 4. September 2009 machte auch dem Letzten klar, in welchem Umfeld Bundeswehrsoldaten kämpfen. Der ehemalige Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) hatte die Beteiligung Deutschlands an der UN-mandatierten Schutztruppe ISAF (International Security Assistance Force) mit der Aussage begründet, dass Deutschlands Sicherheit „auch am Hindukusch verteidigt werde.“
Trotz aller Erfolge für die Entwicklung in Afghanistan meint der Autor, dass die internationale Gemeinschaft viel Grund für ein schlechtes Gewissen haben müsse. Bis Ende 2014 soll auch die Bundeswehr aus dem Land am Hindukusch abgezogen sein. Wie sich die Zukunft für das afghanische Volk danach gestalten wird, weiß niemand.
Mit einer Rückschau auf den Balkaneinsatz, die Marineoperationen gegen Terroristen, Waffenschmuggel und Piraten sowie die „Gefechte im Inneren“ befasst sich das erste Kapitel. Die Bundeswehr ist heute eine „Armee im Einsatz“. Das ist der Bevölkerung inzwischen klar, wenn sie es auch nur am Rande zur Kenntnis nimmt.
Verschiebung der Machtverhältnisse
Im folgenden Teil beschäftigt sich der Autor mit den Bündnispartnern. Hier spielt Amerika die Hauptrolle in den Betrachtungen. Das Verhalten der Weltmacht USA nach den Terroranschlägen des 11. September 2001, die Auseinandersetzungen mit nicht-staatlichen Gewaltakteuren, das Gefangenenlager Guantanamo und die Ausschreitungen in Abu Ghreib sind für Bartels ein Schaden für das Ansehen der USA, besonders in der islamischen Bevölkerung. Hatte US-Präsident Obama noch in seinem Wahlkampf versprochen Guantanamo aufzulösen, ist nichts geschehen.
Deutschlands Souveränität und die Absicht von Obama, eine Welt ohne Kernwaffen anzustreben, sind weitere Betrachtungen in diesem Teil, gefolgt von Gedanken zu gemeinsamen europäischen Streitkräften. Hier verweist Bartels darauf, dass die SPD als erste Partei in Europa das Ziel einer gemeinsamen europäischen Armee in ihr Grundsatzprogramm aufgenommen hat. Inwieweit Frankreich und Großbritannien jedoch bereit wären, ihr Atomwaffenpotential darin einzubringen, bleibt letztendlich offen. Auch für Deutschland würde es bedeuten, einen Teil seiner Souveränität auf die Europäische Union übertragen zu müssen.
Vor Jahren noch ein unbedachtes Feld, befasst sich Bartels auch mit der Problematik des „Militärischen Outsourcing“. Hier sind viele rechtliche Fragen offen und werden die Juristen weiter beschäftigen. Die Gefahr, dass die Parlamentsarmee Bundeswehr zu einer Zwei-Klassen-Armee wird, weil die Einsätze der Spezialkräfte nicht dem Parlament offen gelegt werden, ist ebenfalls angesprochen.
Transformation statt Reform
In dem Kapitel „Bundeswehrreform“ wird noch einmal die ganze Bandbreite der Aufstellung der Bundeswehr bis zur augenblicklichen Reform und dem Werbespruch „Wir. Dienen. Deutschland.“ behandelt. Für den Verteidigungsexperten Bartels liegt die Zukunft von Streitkräften in der Europäisierung. Dazu zwingen schon die immer knapper werdenden Haushausmittel. Bartels beanstandet auch, dass die augenblickliche Bundeswehrreform nicht mit den anderen Mitgliedern in der EU bzw. der NATO abgesprochen wurde. Dieser Vorwurf gilt anders herum genau so. Wieder macht jeder was er für richtig hält und ein gemeinsames Konzept der Verteidigungsfähigkeit für die Zukunft ist nicht zu sehen. Ausführlich wird die Aussetzung der Wehrpflicht durch die amtierende Koalition behandelt, das SPD-Modell einer „subsidiären“ Wehrpflicht erläutert. Für den Verfasser ist das Militär „keine Firma“.
Deutsche Waffen in Krisenregionen und Parlamentsarmee
In dem Kapitel Rüstung geht es um den Export deutschen Wehrmaterials in andere Länder. Bartels erläutert die seit 28. April 1982 erlassenen „Politische Grundsätze“ für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern. Am 19. Januar 2000 von der rot-grünen Koalition neu gefasst, wäre für Bartels die Lieferung von Kampfpanzern Leopard nach Saudi-Arabien durch die Regierung Merkel, ein „eklatanter Bruch“ mit der bisherigen Genehmigungspraxis.
2005 wurde das Parlamentsbeteiligungsgesetz von der rot-grünen Regierung beschlossen. Grund war die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994 zur Rechtmäßigkeit von Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Auslöser war die Beteiligung von Soldaten in AWACS-Flugzeugen der NATO, die ohne Zustimmung des Parlaments erfolgt war. Hier bemängelt der Autor, dass die Transparenz über die Einsätze von Spezialkräften nicht gegeben sei und der Deutsche Bundestag außen vor bleibe.
Zusammenfassend stellt Bartels fest, dass Deutschland mehr Verantwortung in der Weltpolitik übernehmen müsse. In diesem Kontext seien Bündnisse, Verträge und ein Mindestmaß an Verteidigungsfähigkeit auch in Zukunft unabdingbare Voraussetzungen für die deutsche Sicherheitspolitik. Als Anachronismus bezeichnet der Autor die Tatsache, dass Deutschland und Japan keinen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat haben. Diese gehörten neben Indien und Brasilien unbedingt in den Rat.
Peter E. Uhde
Buchhinweis: „Wir sind die Guten“ – Erfahrungen und Anforderungen deutscher Verteidigungspolitik. Hans –Peter Bartels, Vorwärts Buch, Berlin, 160 S., ISBN 978-3-86602-053-5, Euro 10,-.
Der Autor ist am 7.Mai 1961 in Düsseldorf geboren, ist Journalist. Nach dem Abitur 1980 leistete er Wehrdienst. Er studierte Politische Wissenschaften, Soziologie, und Volkskunde.1988 Promotion. Seit 1997 Mitglied der SPD seit 1998 MdB für den Wahlkreis Kiel.